Zeitzeugen-Tag
„Was uns am Leben hielt? Es war die Hoffnung…“
Polnische KZ-Überlebende besuchten die Wölfersheimer Singbergschule, um von ihrem Kampf ums Überleben zu berichten. Die Gymnasiasten der zehnten Jahrgangstufe nutzten die mehr als seltene Gelegenheit, ihre Fragen an leibhaftige Zeitzeugen zu richten – und mehr als bewegende Antworten zu erhalten…
„Es war besonders heiß in jenem August 1944. Ich wusste nicht, wohin uns der Zug bringen würde. Wie Vieh eingepfercht, mehrere Tage ohne Essen und Trinken. Auch keine Toilette. Der Gestank war unerträglich. Manche fielen in Ohnmacht.“
Ergriffen lauschten die Schülerinnen und Schüler den bewegenden Schilderungen von Hanna Gajkowska. „Als die Schiebetür des Waggons geöffnet wurde und ich den Schriftzug ‚Auschwitz-Birkenau’ las, da war ich mir sicher: Jetzt wirst du sterben.“
Ähnlich erging es auch Janina Rekłajtis. Auch sie wurde im Zuge des Warschauer Aufstands von den Deutschen deportiert. Stanisław Zalewski verhaftete man wegen Sabotagetätigkeit. Alle drei waren unter anderem in ‚Auschwitz-Birkenau’. „Zum Schluss verzichtete die SS auf das Eintätowieren der Häftlingsnummern. Wir waren einfach zu viele“, berichtete Janina Rekłajtis. Stanisław Zalewski wurde später zu Zwangsarbeit in einem Steinbruch und einem unterirdischen Flugzeugwerk in Österreich eingeteilt.
Die polnischen Zeitzeugen waren auf Einladung der evangelischen Initiative „Zeichen der Hoffnung“, die sich für eine bessere Verständigung zwischen Polen und Deutschen einsetzt, für rund eine Woche in die Wetterau gekommen. Mehrere Schulveranstaltungen standen auf dem Programm. Vereinsmitglied und Friedensaktivistin Adelheid Müller organisiert diese Begegnungen seit nunmehr vier Jahren: „Ich bin selbst ein Kriegskind. Auf dem Hof meiner Großeltern bei Nidda lebten zwei polnische Kriegsgefangene, die für uns bald zur Familie gehörten. Auch deshalb engagiere ich mich gegen Ausländerhass und Vorurteile.“
Die Wölfersheimer Schüler hatten sich im Unterricht mit dem Thema Diktatur und Holocaust auseinandergesetzt. Im kommenden Jahr steht für die zehnten Gymnasialklassen eine Studienfahrt zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald an. Und dennoch: Die Schilderungen von Erschießung und Folter auf offener Straße, Vergewaltigung, Demütigung durch KZ-Aufseher, Hunger, Krankheit und Ungezieferbefall sowie dem ständigem Leben in Todesangst berührten die Schüler sehr.
„Der Besuch dieser drei beeindruckenden Persönlichkeiten bestärkt die Kinder in ihrem Engagement für Frieden und Gerechtigkeit“, zeigte sich auch Gymnasialleiter Christian Kneipp von der Veranstaltung beeindruckt.
Gefördert wurde der Vormittag von der Initiative „BUNTerLEBEN – Gemeinsam für Vielfalt und Respekt“, einem Aktionsplan der Kommunen Echzell, Florstadt, Reichelsheim und Wölfersheim. Direktor Thomas Gerlach: „Wir verstehen das diesjährige Treffen als eine Art Pilotveranstaltung und würden uns freuen, auch im kommenden Jahr wieder Zeitzeugen begrüßen zu dürfen.“ Dann hätten auch die Schüler des Haupt- und Realschulzweiges die Chance zum nachhaltigen Austausch.