ZWEITZEUGENGESPRÄCH MIT RICARDO LENZI LAUBINGER BERÜHRT ABSCHLUSSKLASSEN
Wölfersheim. Am 25. und 26. Februar 2025 hatten die Abschlussklassen 9H und 10R der Singbergschule Wölfersheim die Gelegenheit, an einem Zweit- und Zeitzeugengespräch mit Ricardo Lenzi Laubinger, dem Vorsitzenden der Hessischen Sinti-Union, teilzunehmen. Die beiden Veranstaltungen wurden auf Wunsch der Fachschaft Geschichte von Katharina Pietsch, der Beauftragten für den Bereich „Öffnung von Schule“, sowie von Fachbereichsleiter II Dr. Matthias Zipp organisiert. Dank der finanziellen Unterstützung der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung konnte dieses demokratiebildende Ereignis realisiert werden. In ihren Eröffnungsreden betonten die beiden die immense Bedeutung solcher Begegnungen für die politische und historische Bildung junger Menschen.
„Geschichte wird durch persönliche Berichte lebendig. Solche Veranstaltungen sind essenziell, um Jugendliche für demokratische Werte zu sensibilisieren und sie zu ermutigen, sich aktiv gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einzusetzen.“
Ferner dankten sie der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung für ihre langjährige Unterstützung im Kampf gegen das Vergessen.
Nach einer kurzen Vorstellung des aus Wiesbaden angereisten Gastes wurde die Veranstaltung durch einen bewegenden Kurzfilm eingeleitet. Mithilfe historischer Bilder und Dokumentaraufnahmen wurden die Gräueltaten des Holocausts eindrucksvoll veranschaulicht, wodurch sich eine ernste und nachdenkliche Stimmung einstellte.
Anschließend berichtete Laubinger von den schmerzhaften Erlebnissen seiner Familie während der NS-Zeit. Obwohl er selbst die Schrecken des Holocausts nicht erleben musste, schilderte er eindrücklich die Traumata seiner Eltern und Verwandten. Besonders bewegend war der Bericht über seine Mutter, die als einzige ihrer Familie Auschwitz überlebte und mit eigenen Augen den Mord an ihren Eltern und Geschwistern miterleben musste. Mit sichtbarer Ergriffenheit sprach er zudem über die grausamen Experimente, die der berüchtigte KZ-Arzt Josef Mengele an seinen Cousins durchgeführt haben soll.
Laubinger bettete seine Familiengeschichte in den größeren historischen Kontext ein und verdeutlichte, dass die Diskriminierung der Sinti und Roma auch nach dem Ende des NS-Regimes fortbestand. So berichtete er fassungslos, dass Sinti weiterhin regelmäßig bei der Polizei vorstellig werden mussten, Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen mussten – eine Praxis, die sie wie Verbrecher erscheinen ließ. Auch die wiederholten Ablehnungen der Wiedergutmachungsanträge seiner Mutter und anderer Verwandter, selbst im Falle seines mit nur zwei Monaten in ein Konzentrationslager deportierten Onkels, verdeutlichten den Jugendlichen das fortdauernde Unrecht.
Ein besonders emotionaler Moment war Laubingers Schilderung eines Wiedersehens mit seinem Halbbruder im Jahr 1978, den die Kriminalpolizei zuvor fälschlicherweise für tot erklärt hatte. Die Erlebnisse seiner Familie machten deutlich, dass die Auswirkungen des Holocausts und die Diskriminierung der Sinti und Roma bis heute spürbar sind.
Die Lernenden verfolgten den lebendigen Vortrag mit großer Aufmerksamkeit und waren sichtlich bewegt. Im Anschluss an den Vortrag stellten sie zahlreiche Fragen, die Laubinger offen und geduldig beantwortete. Die intensive Beteiligung zeigte, wie sehr die Erlebnisse und Botschaften des Zweit- und Zeitzeugen sie berührten. Zum Abschluss appellierte Laubinger noch einmal eindringlich an die Jugendlichen, sich aktiv für Demokratie, Menschenrechte und gegen Diskriminierung einzusetzen.

Christina Dern, Dr. Matthias Zipp, Ricardo Lenzi Laubinger, Iris Tross-Getto, Katharina Pietsch (v.l.n.r.)
Die Veranstaltung hinterließ einen nachhaltigen Eindruck und unterstrich die Wichtigkeit, Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wie Pietsch und Zipp gegenüber der Presse sichtlich zufrieden resümierten. (PIK/ZIM)