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FEB.
2025

Interreligiöse Erfahrung und historische Auseinandersetzung: Der jüdische Friedhof in Wölfersheim als Lernort

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Am 19.02.25 unternahmen der evangelischen Religionskurs der Klassen 10G1 und 10G2 eine Exkursion zum jüdischen Friedhof in Wölfersheim. Ziel war es, sich mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wölfersheim auseinanderzusetzen, religiöse Aspekte des Judentums zu erkunden und sich mit der Realität des Antisemitismus – damals und heute – zu beschäftigen.

Der jüdische Friedhof: Ein geschützter Ort des Gedenkens

Gleich zu Beginn stellte sich die Frage: Warum ist der Friedhof abgeschlossen? Dies führte die Lernenden direkt ins Thema. Jüdische Friedhöfe sind „für die Ewigkeit“ angelegt, da nach jüdischem Glauben Gräber nicht aufgelöst werden dürfen. Doch die Verschlossenheit hat auch einen traurigen Grund: den Schutz vor Vandalismus, denn jüdische Friedhöfe sind immer wieder Ziel antisemitischer Angriffe.

Beim Betreten des Friedhofs wurde zudem eine wichtige religiöse Tradition deutlich: Im Judentum ist das Bedecken des Kopfes ein Zeichen von Respekt vor Gott. Besonders an heiligen Orten wie einem Friedhof erinnert es an die Ehrfurcht vor dem Leben und dem Tod. So mussten die Männer eine Mütze tragen. Diese und weitere jüdische Begräbnisriten gaben den Lernenden einen direkten Einblick in die religiöse Praxis. Gleichzeitig wurde die tragische Geschichte der jüdischen Gemeinde Wölfersheims greifbar: Von ungefähr 35 jüdischen Einwohnern gab es nach 1939 keine jüdischen Einwohner mehr in Wölfersheim.  Einige hatten noch im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft. Diese Erkenntnis hinterließ bei allen einen bleibenden Eindruck.

Vom Friedhof zum Restaurant Limoncello

Nach dem Besuch des Friedhofs ging es weiter zur Pizzeria Limoncello, wo Thomas Küchenmeister von der Geschichte eines kleinen jüdischen Jungen berichtete, der in Wölfersheim lebte und die Reichspogromnacht 1938 miterlebte. Die Schilderungen von zerbrochenen Einmachgläsern vor der Haustür des Jungen und jüdischen Geschäften, die zerstört wurden, und dem allgemeinen Hass, der sich entlud, machten deutlich, wie tief Antisemitismus in der Gesellschaft verwurzelt war – und wie wichtig es ist, heute dagegen einzutreten.

Eindrücke und Bedeutung für heute

Die Exkursion war für viele Lernende eine eindrückliche Erfahrung. Besonders die Kombination aus religiöser Auseinandersetzung und konkreten historischen Schicksalen machte die Thematik greifbar. „Es ist etwas völlig anderes, an einem solchen Ort zu stehen, als nur darüber zu lesen“, fasste eine Schülerin zusammen.

Antisemitismus ist kein Relikt der Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit jüdischer Geschichte und Religion bleibt ein wichtiger Bestandteil schulischer Bildung – nicht nur, um die Vergangenheit zu verstehen, sondern auch, um für die Zukunft Verantwortung zu übernehmen.

(SCA)

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