Verhandlungsbesuch im Amtsgericht Friedberg
Am 05.02.2025 besuchte der Deutschkurs der Einführungsphase von Frau Wojnicka das Amtsgericht in Friedberg. Dort hatten wir die Möglichkeit, eine Richterin kennenzulernen und eine Verhandlung mitzuerleben.
Das Gespräch mit der Richterin
Die Richterin arbeitet seit 2013 am Friedberger Amtsgericht, zuvor war sie in Gießen tätig gewesen. Sie ist in den Bereichen Strafrecht, Zivilrecht und Familienrecht engagiert.
In einem einstündigen Gespräch beantwortete sie unsere Fragen zu ihrem Beruf und zu rechtlichen Themen.
Auf die Frage, ob jemand mit einer Jugendstrafe später Jura studieren und in diesem Bereich arbeiten könne, erklärte sie, dass Jugendstrafen nach einer gewissen Zeit gelöscht werden würden, sofern keine weiteren Straftaten begangen wurden. Daher sei es möglich, dennoch eine juristische Karriere einzuschlagen.
Zudem erfuhren wir, dass sie Delikte an Kindern am schlimmsten fände, noch keine ihrer Entscheidungen bereut habe und nie bestochen worden sei. Ebenso habe sie persönlich noch keine Situation erlebt, in der ein Angeklagter während einer Verhandlung ausfällig geworden ist.
Bezugnehmend auf das Buch Verbrechen, das wir im Deutschunterricht gelesen hatten, äußerte sie, dass ihr das Werk gefalle, da es die Hintergründe von Straftaten gut darstelle.
Die Gerichtsverhandlung
Nach dem Gespräch begann die Verhandlung. Im Gerichtssaal waren neben der Richterin ein Staatsanwalt, eine Protokollführerin, der Verteidiger, der Angeklagte, dessen Eltern sowie wir als Zuschauer anwesend.
Zunächst verlas die Richterin die Anklage. Dem Angeklagten C.A. ist vorgeworfen worden, seine ehemalige Partnerin L.R., mit der er eine Affäre gehabt habe, durch zahlreiche Anrufe und Nachrichten, an manchen Tagen bis zu 300, belästigt zu haben. Zudem habe er die Polizei angerufen und falsche Aussagen gemacht. In seiner Stellungnahme erklärte der Mann, dass er dies getan habe, weil die Kommunikation mit seiner Partnerin schwächer geworden und es zu Vertrauensproblemen gekommen sei. Er gab zudem an, durch den Konsum von Drogen wie Kokain und Cannabis paranoide Gedanken entwickelt zu haben, die ihn zu dieser Tat gebracht hätten.
Er berichtete weiterhin, dass er in seiner Paranoia geglaubt habe, sein Nachbar habe seine Partnerin entführt, weil er sie nicht habe erreichen können. Infolgedessen zeigte er seinen Nachbarn bei der Polizei an.
Als Zeuge sagte der Polizist aus, der den Angeklagten nach dessen Anruf verhört hatte. Zuvor war die Wohnung des Nachbarn kontrolliert worden, wobei festgestellt worden war, dass dort keine Frau gegen ihren Willen festgehalten wurde. Der Polizist beschrieb C.A. als auffällig und impulsiv.
C.A. sei bereits zuvor mit drogeninduzierter paranoider Schizophrenie diagnostiziert worden und habe sich in Therapie sowie ambulanter Behandlung befunden, um seine Sucht zu bekämpfen. Seitdem beging er Straftaten wie das Fahren ohne Führerschein und Betrug, die jedoch noch nicht verhandelt worden sind. Der Angeklagte erklärte, mittlerweile eine Arbeitsstelle gefunden zu haben und keinen Kontakt mehr zu seiner Ex-Partnerin zu wünschen.
Die Richterin und der Staatsanwalt stellten fest, dass der Angeklagte sich gebessert habe und geständig sei. Dennoch habe L.R. in einem Brief an das Gericht erklärt, dass sie sich durch sein Verhalten psychisch belastet gefühlt und sich selbst verletzt habe. Das Gericht entschied, dass C.A. weiterhin eine ambulante Therapie absolvieren und 1.500 Euro an den Frauennotruf zahlen müsse. Wenn er diese Auflagen innerhalb von sechs Monaten erfülle, würde er nicht weiter bestraft werden. Mit dem Urteil wurde die Verhandlung abgeschlossen.
Im Anschluss hatten wir die Möglichkeit, Fragen bezüglich der Verhandlung zu stellen.
Fazit des Besuchs
Dieser Ausflug hinterließ bei mir und den meisten meiner Mitschülerinnen und Mitschülern einen bleibenden Eindruck und half uns, das Buch Verbrechen von Ferdinand von Schirach besser zu verstehen. Gleichzeitig ermöglichte der Besuch vielen, zum ersten Mal ein Gericht zu sehen, einer Verhandlung beizuwohnen, mit einer Richterin zu sprechen und Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Es war ein gelungener Abschluss der Unterrichtsreihe.
(Von Serdar Kücükaslan)