02
FEB
2024

ERINNERN UND HANDELN – HOLOCAUST-GEDENKTAG

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„Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst“  Jean Baudrillard

1996 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Als Datum wählte er den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz im Jahre 1945, der mittlerweile auch international als Gedenktag begangen wird.

Aus diesem Anlass lud die Singbergschule auch in diesem Jahr wieder den KZ-Überlebenden Mieczyslaw Grochowski, genannt Mietek, ein. Im Rahmen eines Zeitzeugengespräches erzählte er den rund 180 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 10G und 13 vom KZ Stutthof und aus seinem Leben. Anschließend beantwortete er in einem von Geschichtslehrerin Katharina Pietsch geleitetem Gespräch die zahlreichen Fragen der tief bewegten Zuhörer. Neben den Schülern hatten sich auch einige externe Gäste eingefunden, um den Worten des Zeitzeugen zu lauschen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Schulleitungsmitglied Dr. Matthias Zipp, der die Gäste im Namen der gesamten Schulgemeinde willkommen hieß und ihnen für ihr Kommen dankte. Nach einem kurzen Grußwort durch Gemeindevorstandsmitglied Karl-Ernst Pulkert, der die enorme Bedeutung der Veranstaltung angesichts der aktuellen politischen Lage hervorhob, übernahm Neithard Dahlen, Mitglied des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland und Mitorganisator der Veranstaltung. Er wendete sich in einer emotionalen Ansprache direkt an die interessierten Zuhörer:

„Gedenken bedeutet Engagement. Gedenken heißt reflektieren, nachempfinden, die eigene Meinung und Haltung zu bilden und zu korrigieren und über die eigenen Werte nachzudenken.“

 

Des Weiteren war auch Diethardt Stamm vom Vorstand der Lagergemeinschaft Auschwitz zugegen, der gegen Vergessen, Unwissen und Verdrängen ansprach. Als Ehrengast konnte die Schule Manfred de Vries, den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim gewinnen, der jüngst für seine Arbeit mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet wurde. Er erwähnte, dass auch seine Mutter im Konzentrationslager Stutthof inhaftiert war.

Im Anschluss erzählte der Zeitzeuge von der Verhaftung seiner Familie, den zahllosen Entbehrungen im Lager und dem schweren Neuanfang nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee. Besonders bewegend waren die von ihm eingebauten drei Trompetensoli, darunter ein Lagerlied und eine Eigenkomposition, die der aus einer musikalischen Familie stammende Grochowski vortrug.

Die Familie des in Pommern geborenen Mietek wurde 1943 in das KZ-Stutthof verschleppt, da sie das politische Ziel der Germanisierung des Landes ablehnte und sich weigerte ihre polnische Identität aufzugeben. Das KZ wurde vor Kriegsbeginn als erstes KZ außerhalb der deutschen Grenze von einer SS-Einheit errichtet. 65.000 von etwa 110.000 Häftlingen verloren hier ihr Leben. Als 4-Jähriger kam Mietek in das Internierungs- und Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz, wo er bis zur Befreiung des Lagers durch die Rote Armee 14 Monate unter menschenverachtenden Bedingungen lebte. Das Außenlager des KZ-Stutthof galt als Ostjugendverwahrlager für Kinder aus eroberten Gebieten. Während Mieteks Mutter und die Kinder gerettet werden konnten, überlebte sein Vater das Morden in Stutthof nicht.

Ein ganz herzliches Dankeschön gebührt Pfarrer Lars Stephan und dem Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde Wölfersheim für die Möglichkeit der Nutzung der Kirche. Die Singbergschule bedankt sich ferner bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sowie dem Programm „Löwenstark“ für die finanzielle Unterstützung des Zeitzeugengesprächs und freut sich bereits jetzt auf eine weitere Veranstaltung gegen das Vergessen – für Demokratie und Toleranz am 20. März mit der Auschwitz-Überlebenden Dr. Eva Umlauf. (PIK/ZIM)

von links nach rechts: Diethardt Stamm, Karl-Ernst Pulkert, Neithard Dahlen, Miecyslaw Grochowski, Manfred de Vries, Dr. Matthias Zipp, Katharina Pietsch und Lehrkräfte an der Singbergschule Wölfersheim